Der 11.12.2014 hat mein Leben verändert. In der Früh fuhr ich wie immer zum Reiten. Es war kalt – zuerst mal die Pferde füttern. Diese halbe Stunde in der Früh genieße ich immer sehr, wenn die Pferde sich zu regen beginnen und ungeduldig aufs Heu warten. Skippy konnte ein paar Tage nicht geritten werden, weil er so stark gehustet hat. Aber an diesem Tag war es endlich wieder soweit. Wir putzten ihn zu zweit, weil er so dreckig war. Er war auch beim Satteln diesmal sehr brav. Dann nichts wie raus auf den Reitplatz. Beim Circeln war er ruhig und gelassen, sehr viel konnte ich nicht machen, weil der Platz gefroren war, trotzdem ging es ganz gut.
Das alte Lied – Skippy begann sofort nach dem Aufsteigen zu buckeln, wie immer gab er mir die Gelegenheit, abzusteigen. Mein Fehler war, dass ich diesmal nicht abstieg – ich weiß noch wie ich dachte – nein heute nicht. Dann stieg ich doch ab, unfreiwillig. Skippy machte einen Satz und ich lag unten. Zuerst dachte ich noch, ich habe mir nur den Arm gebrochen, doch es war viel schlimmer.
Mein linker Arm riß zu 2/3 ab. Arterie gerissen, alle Bänder gerissen, Muskel gerissen, Nervenstrang stark überdehnt. Fast 7 Stunden Notoperation. 3 Monate Schiene – ein Jahr Physiotherapie. Ich kann den Arm nie wieder ganz ausstrecken und habe wenig Gefühl in zwei Fingern, ich spüre den Ellbogen jeden Tag.
Ich hatte Glück im Unglück, ich konnte den Arm behalten, obwohl der operierende Arzt anfänglich eher skeptisch war.
Drei Monate lang konnte ich nicht Auto fahren und kümmerte mich nur sehr wenig um Skippy. Meine Freundinnen haben ihn ab und zu geputzt, aber nicht mehr. Jeder hatte Angst vor ihm, es traute sich keiner, mit ihm zu arbeiten. In dieser Zeit, in der ich zur kompletten Untätigkeit verurteilt war, war ich besessen davon, jemanden zu finden, der für mich Skippy wieder „reitbar“ machte. Dieses Vorhaben scheiterte. Vor allem an meiner Angst.
Fünf Monate nach dem Unfall saß ich wieder im Sattel. Nein – nicht in Skippy´s Sattel. Die liebe, gute Chayenne gab mir den Mut und die Sicherheit, wieder zu reiten.
Für Skippy hatte ich noch immer keine Lösung. Mit ihm machte ich einfach nur Bodenarbeit, selbst da mußte ich meinen ganzen Mut zusammen nehmen. Mir kam vor, nicht nur ich hatte den Schock vom Unfall davongetragen, sondern auch er. Wir mußten uns erst langsam wieder aneinander gewöhnen und ich mußte meine Angst vor ihm abbauen. Geritten habe ich Skippy bis heute nicht mehr. Der Sturz läuft wie ein Film manchmal in meinem Kopf ab, ich habe einfach Angst davor.
Ich ritt ab und zu auf Chayenne, nahm auch manchmal Stunden. Und dann, mehr als 1 Jahr nach meinem Unfall, fand ich auf Facebook eine Anzeige für eine Mitreitgelegenheit ganz in meiner Nähe. Super Pferd – super Trainer – noch bessere Besitzer. Kurz – ich fand Jesse – ein Pferd wie ein Fels in der Brandung. Da Jesse ein richtiger Profi ist, kann ich endlich wieder richtig Western reiten und das was ich nicht kann, zeigt mir Jesse.
Plötzlich merke ich – ich kann ja reiten. Die letzten Jahre mit Skippy waren ja davon geprägt, ihn zu reiten, ohne dass er buckelt, die Technik ist dabei etwas eingeschlafen.
Jetzt ist es so, dass ich mit Jesse und Gerald Freitag wieder einiges auffrischen kann. Okay Weltmeister werde ich nicht mehr, aber es macht unheimlich viel Spaß, und ich werde immer sicherer.
Aber was ist mit Skippy:
Er wird nicht geritten. Wir machen regelmäßig Bodenarbeit. Sein Headshaking hat komplett aufgehört, seit ich ihn nicht mehr reite. Skippy ist jetzt 22 Jahre alt und ist praktisch in Pension. Manchmal träume ich davon, ihn wieder zu reiten. Doch ich stresse mich damit nicht mehr und ihn auch nicht.
Immer wieder höre ich von anderen, dass ich ihn weggeben soll, damit ich ihn nicht noch die nächsten 10 Jahre durchfüttern muß. Als Reitpferd kann ich ihn nicht hergeben, das Buckeln hat sich dafür zu stark bei ihm manifestiert. Als Beistellpferd will ich ihn nicht hergeben, er muß, um gesund zu bleiben, regelmäßig bewegt werden. So ist er in meiner Nähe, in seiner vertrauten Umgebung und er fühlt sich – so hoffe ich – absolut wohl in seiner Box und auf der Wiese mit seinen Pferdefreunden. Wenn wir gemeinsam arbeiten ist er ruhig und entspannt und macht alles mit.
Ich kann ihn nicht weggeben, weil er zu mir gehört. Er ist mein Lebenspferd. 90% der Freunde, die ich heute habe, habe ich durch ihn. Und ich habe die besten Freunde der Welt.
Durch ihn habe ich gelernt, nie aufzugeben, an Dingen dran zu bleiben, privat wie beruflich.
Er hat mich ja nicht absichtlich so schwer verletzt, vielleicht hat er einfach nur gedacht, dass ich mal kapieren soll, dass ich reiterlich woanders hin soll. Das habe ich jetzt kapiert.
Durch den Unfall habe ich so viel Gutes erlebt.
– Mein Umfeld hat mir gezeigt, dass ich nicht allein bin.
– Ich konnte mich endlich von falschen Familienbanden lösen
– Ich bin geistig gewachsen und habe viel gelernt
– Ich habe viel Liebe und Anerkennung erfahren.
– Jesse wäre nicht in mein Leben getretetn
– Ich wäre nie bei Gerald Freitag geritten
– Ich habe (wieder durch´s reiten) so viele neue liebe Menschen kennengelernt.
Ohne ihn wäre ich heute nicht da wo ich bin. Dafür bin ich ihm dankbar – er hat mir geholfen, auf diesen Weg zu kommen.
Er hat mich gelehrt – niemals aufzugeben
Eure Andrea