Ich bin Pferdebesitzerin
Wenn jemand schon andere Bücher von mir gelesen hat, dann wisst Ihr ja, dass ich ein Pferd habe, das für mich auch sehr wichtig ist.
Der erste Lockdown im März 2020 kam und ich hätte jede Menge Zeit für mein Pferd gehabt.
Die Kontakt-Beschränkungen hatten für mich aber auch in der Weise Auswirkungen. Es gab im Stall eine Zeiteinteilung, wann wie viele Personen zu den Pferden durften. Für mich war das nach 18 Uhr. Mitte März war es finster, ich bin im Umgang mit meinem Pferd jetzt nicht der mutigste Mensch. So stellte ich Skippy einfach jeden Abend vor den Stall und putzte ihn.
Nicht mal mit Skippy hatte ich Energie, um etwas zu tun. Wenn abends, wenn alles dunkel war, dann tatsächlich ein Auto beim Stall vorbei fuhr, oder sogar stehen blieb, bekam ich ein ungutes Gefühl.
Nach 18 Uhr waren die Straßen wie leer gefegt und ich hatte das Gefühl, etwas sehr Verbotenes zu tun.
Auch das Verwenden der Reitanlage war eingeschränkt. Wir haben eine sehr mühsame WhatsApp Gruppe geführt, mussten genau erheben, wann wer auf der Anlage ist. Und da habe ich auch oft einfach darauf verzichtet, mit Skippy auf den Platz zu gehen.
Wenn der Schmied kam war ich das erste Mal seit ganz vielen Jahren wieder dabei. Wir mussten vorm Stall bleiben. Damals, im ersten Lockdown war das mit dem Testen noch nicht üblich. So wussten wir alle nicht, ob wir positiv sind oder nicht. Wir hielten Abstand und hatten ein blödes Gefühl.
Obwohl ich Skippy fast jeden Tag gesehen habe, habe ich erst nach dem Fellwechsel gemerkt, wie mager er geworden ist. Er hat fast 50 kg verloren, das war mehr als 10% seines Körpergewichts. Und er wollte sich auch nicht mehr bewegen. Im Rückblick hätte ich da schon reagieren müssen. Aber für´s erste habe ich ihm jede Menge Futter reingeschoben. Das hat auch geholfen. Trotzdem war er anders, er war viel zu ruhig. Ich redete mir ein, das ist das Alter. Manchmal ging er lahm, da redete ich mir auch ein – wer weiß, was ihm schon alles weh tut, er ist halt schon alt.
Ich habe es fast „vermieden“ einen Tierarzt kommen zu lassen, denn das heißt wieder – alles mit Abstand, Maske und einem unguten Gefühl.
Der Herbst kam und Skippy ging es nicht wirklich besser, er war zwar nicht mehr so mager, aber in Ordnung war er nicht. Und wieder war es so, dass ich viel zu wenig unternahm. Es war so, als brauchte ich all meine Energie, um die Pandemie, die Arbeitslosigkeit, die Perspektivenlosigkeit, zu überwinden. Und der nächste Lockdown kam. Ich half mir irgendwie halbherzig über die Situation mit Skippy hinweg. Meine Persönlichkeit im Bereich „mein Pferd“ ist geprägt von Vermeidung. Die Pandemie gab mir da ganz viele Ausreden.
Am 24. Jänner 2021 ist die gesundheitliche Situation mit Skippy eskaliert. Plötzlich konnte er kaum mehr stehen, er war gekrümmt wie ein Vanillekipferl und konnte nur stehen, wenn er sich an der Boxenwand angelehnt hat. Die einzige Bewegung, die er machen konnte, war sich im Kreis zu drehen.
Ich war im Schockzustand. Mein Tierarzt vermutete eine gebrochene Hüfte, oder einen gebrochenen Wirbel. Das war Gott sei Dank aber nicht der Fall. Helfen konnte ihm erst der Chiropraktiker, der ihn sanft und langsam wieder „gerade“ gerichtet hat.
Bei der ersten Behandlung des Chiropraktikers waren einige Menschen im Stall. Unter anderem auch mein Trainer. Und ich war fertig mit den Nerven. Er hat mich in den Arm genommen und hat gesagt, es wird alles gut.
Was macht die Pandemie mit uns? Mein erster Gedanke war, wir dürfen das nicht! Wir dürfen uns nicht umarmen und schon gar nicht ohne Maske!
Meine Nerven lagen blank. Erstmals während der Pandemie hatte ich „andere“ Sorgen. Es ging nicht mehr um Arbeit, Geld, testen oder nicht, impfen oder nicht. Erstmals ging es um das Leben meines Pferdes.
Ich habe die Situation akzeptieren müssen und mein Verhalten ändern müssen. Das war der gleiche Mechanismus wie in anderen Lebensbereichen.
Akzeptiere was du nicht ändern kannst.
Ich kam vorerst noch sehr zögerlich aber doch stetig in den Prozess des Tuns. Jetzt gab es für Skippy´s Überleben keine andere Möglichkeit mehr. Ich musste die Arschbacken zusammenkneifen und tun. Und zwar täglich, täglich bewegen, täglich die Koppel herrichten – täglich und stetig.
Mein Trainer hat zu mir gesagt, ich bin ein Vermeider. Er hat recht und ich arbeite daran.
Früher wollte ich nicht jeden Tag zum Pferd. Das ist aber keine Zeitfrage, keine Zeit zu haben, ist eine Ausrede. Die eine Stunde am Tag hat jeder Zeit, der ein Pferd hat. Ich war nur oft zu antriebslos.
Eines Tages habe ich dann beschlossen, diesen Punkt in meinem Leben zu ändern. Ich wollte die tägliche Versorgung meines Pferdes zu einer Gewohnheit machen. Mein Entschluss: es ist wie das Kaffee kochen in der Früh. Das mag ich auch nicht immer, und hätte manchmal den Kaffee lieber ans Bett serviert bekommen. Ist aber nicht! Und ich stehe auf und mache Kaffee.
Jetzt ist es mit Skippy wie mit Kaffee kochen in der Früh. Ich habe nicht jeden Tag Lust dazu, aber ich mache es trotzdem. Es ist für ihn und seine Gesundheit einfach unabdingbar und weil ich die Verantwortung für ihn habe – und diese auch vorbehaltlos übernommen habe, muss ich das tun. Und es tut mir gut!
Wir haben in der Pandemie eine andere, tiefere Beziehung aufgebaut. Auch dadurch, dass wir vorm Stall nicht zusammen sitzen durften. Jetzt nehme ich das Pferd und gehe, richte die Koppel her, keine Tratscherei mehr. Und es ist super! Ein bisschen Tratsch ist trotzdem dabei, das gehört dazu. Aber der Focus liegt auf dem Pferd, und darauf mit dem Pferd zu arbeiten.
Gemeinsam haben wir letztendlich doch viel Positives in der Pandemiezeit erfahren. Das hat mich stärker gemacht. Skippy geht es heute besser, als das Jahr davor. Darauf bin ich stolz, denn das habe ich SELBST gemacht.